aus: 14. 8. 78 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 222/1
II
(Nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte)
RAT
RICHTLINE DES RATES
vom 18. Juli 1978
über die Qualität von Süßwasser, das schutz- oder verbesserungsbedürftig ist, um das
Leben von Fischen zu erhalten
(78/659/EWG)
DER RAT DER EURÄPAISCHEN GEMEINSCHAFTEN –
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 100 und 235,
auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1),
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (2),
in Erwägung nachstehender Gründe:
Zum Schutz und zur Verbesserung der Umwelt sind konkrete Maßnahmen erforderlich, um die Gewässer, einschließlich des Süßwassers zur Erhaltung des Fischlebens, vor Verunreinigung zu bewahren.
Unter ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es erforderlich, die Fischpopulationen vor den unheilvollen Folgen des Einleitens von Schadstoffen in die Gewässer, so vor allem vor der zahlenmäßigen Verringerung und bisweilen sogar vor der Auslöschung bestimmter Arten, zu bewahren.
Die Aktionsprogramme der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz von 1973 (3) und 1977 (4) sehen die gemeinsame Aufstellung von Qualitätszielen zur Festlegung verschiedener Anforderungen,
gen, denen ein Umweltmedium entsprechen muß, sowie insbesondere die Definition der Parameter für Wasser, einschließlich des Süßwassers zur Erhaltung des Fischlebens, vor.
Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften, die in den einzelnen Mitgliedstaaten in bezug auf die Qualität von Süßwasser zur Erhaltung des Fischlebens bereits anwendbar oder in Vorbereitung sind, können zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führen und sich somit unmittelbar auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken. Daher ist für dieses Gebiet die Angleichung der Rechtsvorschriften gemäß Artikel 100 des Vertrages vorzunehmen.
Es erscheint notwendig, diese Angleichung der Rechtsvorschriften durch Maßnahmen der Gemeinschaft zu ergänzen, mit denen bezweckt wird, durch eine umfassendere Regelung eines der Ziele der Gemeinschaft im Bereich des Umweltschutzes und der Verbesserung der Lebensqualität zu verwirklichen. Zu diesem Zweck sind einige besondere Bestimmungen vorzusehen. Da die hierfür erforderlichen besonderen Befugnisse im Vertrag nicht vorgesehen sind, ist dessen Artikel 235 heranzuziehen.
Zur Erreichung der Ziele der Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten die Gewässer bezeichnen, auf die sie Anwendung findet, und die Grenzwerte festlegen, die bestimmten Parametern entsprechen. Die bezeichneten Gewässer sollen mit diesen Werten binnen fünf Jahren nach der Bezeichnung in Einklang gebracht werden.
Es ist vorzusehen, daß das Süßwasser zur Erhaltung des Fischlebens unter bestimmten Bedingungen auch dann als den diesbezüglichen Parameterwerten entsprechend erachtet wird, wenn ein bestimmter Anteil der entnommenen Proben den im Anhang angegebenen Grenzwerten nicht entspricht.
Um die Überwachung der Qualität des Süßwassers zur Erhaltung des Fischlebens sicherzustellen, ist es erforderlich, eine Mindestzahl von Proben zu entnehmen und die Messungen hinsichtlich der im Anhang angegebenen Parameter durchzuführen. Diese Probenahmen können je nach Wasserqualität weniger häufig erfolgen oder wegfallen.
Da bei der Uberwachung durch die Mitgliedstaaten bestimmte natürliche Gegebenheiten keine Berücksichtigung erfahren, ist die Möglichkeit vorzusehen, in gewissen Fällen von der Richtlinie abzuweichen.
Einige im Anhang dieser Richtlinie enthaltenen Bestimmungen müssen unverzüglich an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt angepaßt werden können. Um die dafür erforderlichen Maßnahmen leichter durchführen zu können, ist ein Verfahren zur engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission innerhalb eines Ausschusses zur Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt vorzüsehen –
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Artikel 1
(1) Diese Richtlinie betrifft die Qualität von Süßwasser und findet auf solche Gewässer Anwendung, die von den Mitgliedstaaten als schutz- und verbesserungsbedürftig bezeichnet werden, um das Leben von Fischen zu erhalten.
(2) Diese Richtlinie gilt nicht für Gewässer in natürlichen oder künstlichen Becken, die für intensive Fischzucht genutzt werden.
(3) Mit dieser Richtlinie wird bezweckt, die Qualität von solchem fließendem oder stehendem Süßwasser zu schützen oder zu verbessern, in dem das Leben von Fischen folgender Arten erhalten wird oder, falls die Verschmutzung verringert oder beseitigt wird, erhalten werden könnte:
– einheimischer Arten, die eine natürliche Vielfalt aufweisen, oder
– Arten, deren Vorkommen von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten als wünschenswert für die Wasserwirtschaft erachtet wird.
(4) Im Sinne dieser Richtlinie sind
– "Salmonidengewässer" Gewässer, in denen das Leben von Fischen solcher Art wie Lachse (Salmo salar), Forellen (Salmo trutta), Aeschen (Thymallus thymallus) und Renken (Coregonus) erhalten wird oder erhalten werden könnte;
– "Cyprinidengewässer" alle Gewässer, in denen das Leben von Fischarten wie Cypriniden (Cyprinidae) oder anderen Arten wie Hechten (Esox lusius), Barschen (Persa fluviatilis) und Aalen (Anguilla anguilla) erhalten wird oder erhalten werden könnte.
Artikel 2
(1) Die chemisch-physikalischen Parameter, die auf die von den Mitgliedstaaten bezeichneten Gewässer anwendbar sind, sind in Anhang I aufgeführt.
(2) Für die Anwendung dieser Parameter werden die Gewässer in Salmonidengewässer und Cyprinidengewässer eingeteilt.
Artikel 3
(1) Die Mitgliedstaaten legen für die bezeichneten Gewässer Werte für die in Anhang I aufgeführten Parameter fest, soweit in Spalte G oder in Spalte I Werte angegeben sind. Sie richten sich nach den in diesen beiden Spalten enthaltenen Bemerkungen.
(2) Die Mitgliedstaaten legen keine Werte fest, die weniger streng als die in Spalte I des Anhangs I angegebenen Werte sind, und bemühen sich um die Einhaltung der in Spalte G angegebenen Werte, wobei sie dem Grundsatz des Artikels 8 Rechnung tragen.
Artikel 4
(1) Die Mitgliedstaaten bezeichnen Salmoniden und Cypriniden-Gewässer erstmals binnen zwei Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie.
(2) Die Mitgliedstaaten können später weitere Gewässer bezeichnen.
(3) Die Mitgliedstaaten können die Bezeichnung bestimmter Gewässer aufgrund von zum aZeitpunkt der Bezeichnung unvorhergesehenen Faktoren ändern, wobei sie dem Grundsatz des Artikels 8 Rechnung tragen.
Artikel 5
Die Mitgliedstaaten stellen Programme auf, um die Verschmutzung zu verringern und sicherzustellen, daß die bezeichneten Gewässer binnen fünf Jahren nach der entsprechend Artikel 4 vorgenommenen Bezeichnung den von den Mitgliedstaaten gemäB Artikel 3 festgelegten Werten sowie den Bemerkungen in den Spalten G und I von Anhang I entsprechen.
Artikel 6
(1) Im Rahmen der Anwendung des Artikels 5 werden die bezeichneten Gcwässer als den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechend erachtet, wenn die Proben, die solchen Gewässern mindestens mit der in Anhang I vorgesehenen Häufigkeit über einen Zeitraum von zwölf Monaten an derselben Schöpfstelle entnommen werden, ergeben, daß sie den von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 festgelegten Werten sowie den Bemerkungen in den Spalten G und I von Anhang I wie folgt entsprechen:
– bei 95 % der Proben im Falle der Parameter pH, BSB5, nicht ionisiertes Ammonium, Ammonium insgesamt, Nitrite, Restchlor insgesamt, Zink insgesamt und gelöstes Kupfer. Werden weniger Proben als eine Probe im Monat entnommen, so müssen alle Proben den obengenannten Werten und Bemerkungen entsprechen;
– zu den in Anhang I angegebenen Prozentsätzen bei den Parametern Temperatur und gelöster Sauerstoff;
– zu der festgelegten Durchschnittskonzentration bei dem Parameter Schwebstoffe.
(2) Abweichungen von den Werten, die die Mitgliedstaaten nach Artikel 3 festgelegt haben, oder von den Bemerkungen in den Spalten G und I des Anhangs I bleiben bei der Berechnung der in Absatz 1 genannten Prozentsätze unberücksichtigt, wenn sie durch Hochwasser oder andere Naturkatastrophen bedingt sind.
Artikel 7
(1) Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten führen die Probenahmen durch, deren Regelhäufigkeit in Anhang I festgelegt ist.
(2) Stellt die zuständige Behörde fest, daß die Qualität der bezeichneten Gewässer merklich über der Qualität liegt, die sich bei Anwendung der gemäß Artikel 3 festgelegten Werte sowie bei Einhaltung der Bemerkungen in den Spalten G und I des Anhangs I ergeben würde, so kann die Häufigkeit der Probenahmen verringert werden. Besteht keine Verschmutzung oder Gefahr einer Verschlechterung dieser Qualität, so kann die zuständige Behörde verfügen, daß keine Probenahme erforderlich ist.
(3) Zeigt sich bei einer Probeentnahme, daß ein von einem Mitgliedstaat gemäß Artikel 3 festgelegter Wert oder eine Bemerkung in den Spalten G und I des Anhangs I nicht eingehalten wird, so stellt der betreffende Mitgliedstaat fest, ob dies zufallsbedingt oder auf eine Naturerscheinung oder eine Verschmutzung zurückzuführen ist, und trifft die geeigneten Maßnahmen.
(4) Der genaue Ort der Probenahmen, die Entfernung dieses Ortes von der nächstgelegenen Einleitungsstelle sowie die Tiefe, in der die Proben zu entnehmen sind, werden von der zuständigen Behörde jedes Mitgliedstaats insbesondere unter Berücksichtigung der örtlichen Umweltbedingungen festgelegt.
(5) Analyseverfahren (Referenzmethoden) für die betreffenden Parameter sind in Anhang I angegeben. Laboratorien, die andere Verfahren anwenden, müssen sich vergewissern, daß die erzielten Ergebnisse den in Anhang I angegebenen Ergebnissen gleichwertig oder mit ihnen vergleichbar sind.
Artikel 8
Die Anwendung der aufgrund dieser Richdinie getroffenen Maßnahmen darf keinesfalls eine unmittelbare oder mittelbare Zunahme der Verschmutzung des SüBwassers zur Folge haben.
Artikel 9
Es steht den Mitgliedstaaten jederzeit frei, für die bezeichneten Gewässer strengere Werte festzulegen, als in dieser Richtlinie vorgesehen sind. Ferner ist es ihnen freigestellt, Vorschriften für andere Parameter festzulegen, als in dieser Richtlinie vorgesehen sind.
Artikel 10
Im Falle grenzüberschreitender oder die Grenze zwischen Mitgliedstaaten bildende Gewässer, deren Bezeichnung einer dieser Staaten in Betracht zieht, treten diese Staaten in Konsultationen ein über den Abschnitt der Grenzgewässer, auf denen die Richtlinie Anwendung finden könnte, sowie über die aus den gemeinsamen Qualitätszielen zu ziehenden Folgerungen, die nach gegenseitiger Abstimmung durch den jeweiligen Staat festgelegt werden. Die Kommission kann an diesen Beratungen teilnehmen.
Artikel 11
Die Mitgliedstaaten können Abweichungen von dieser Richtlinie beschließen:
a) bei bestimmten Parametern, die in Anhang I mit (0) gekennzeichnet sind, wenn außergewöhnliche meteorologische oder besondere geographische Verhältnisse vorliegen,
b) wenn bezeichnete Gewässer eine natürliche Anreicherung mit bestimmten Stoffen über die in Anhang I festgelegten Grenzwerte hinaus erfahren.
Unter natürlicher Anreicherung ist der Prozeß zu verstehen, durch den ein bestimmtes Wasservolumen ohne Eingriff des Menschen gewisse im Boden enthaltene Stoffe aufnimmt.
Artikel 12
Die für die Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt notwendigen Änderungen der in Anhang I aufgeführten
– Parameter G und
– Analyseverfahren
werden nach dem Verfahren des Artikels 14 erlassen.
Artikel 13
(1) Es wird ein Ausschuß zur Anpassung an den technischen und wissenschahlichen Fortschritt, im folgenden "Ausschuß" genannt, eingesetzt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem ein Vertreter der Kommission den Vorsitz führt. Dieser Ausschuß erfüllt die Aufgaben gemäß Artikel 12.
(2) Der Ausschuß gibt sich eine Geschäftsordnung.
Artikel 14
(1) Wird auf das in diesem Artikel festgelegte Verfahren Bezug genommen, so befaßt der Vorsitzende den Ausschuß von sich aus oder auf Antrag des Vertreters eines Mitgliedstaats.
(2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuß einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuß nimmt zu dem Entwurf innerhalb einer Frist Stellung, die der Vorsitzende je nach der Dringlichkeit der Frage festsetzt. Die Stellungnahme kommt mit einer Mehrheit von 41 Stimmen zustande, wobei die Stimmen der Mitgliedstaaten nach Artikel 148 Absatz 2 des Vertrages gewogen werden. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil.
(3) a) Die Kommission trift die in Aussicht genommenen Maßnahmen, wenn sie der Stellungnahme des Ausschusses entsprechen.
b) Entsprechen die in Aussicht genommenen MaBnahmen nicht der Stellungnahmc des Ausschusses oder ist keine Stellungnahme ergangen, so schlägt die Kommission dem Rat unverzüglich die zu treffenden MaBnahmen vor. Der Rat beschlieBt mit qualifizierter Mehrheit.
c) Hat der Rat nach Ablauf einer Frist von drei Monaten, nachdem ihm der Vorschlag übermittelt worden ist, keinen Beschluß gefal!:t, so werden die vorgeschlagenen Maßnahmen von der Kommission getroffen.
Artikel 15
Zwecks Anwendung dieser Richtlinie übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission Angaben über folgendes:
–
die gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 bezeichneten Gewässer in Form einer Übersicht,– die Änderung der Bezeichnung bestimmter Gewässer gemäß Artikel 4 Absatz 3,
– die Vorschriften, die zur Festlegung neuer Parameter gemäß Artikel 9 vorgesehen werden und
–die Abweichungen von den in Spalte I des Anhangs I aufgeführten Werten.
Ganz allgemein übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission auf deren mit Gründen versehenen Wunsch die zur Anwendung dieser Richtlinie erforderlichen Angaben.
Artikel 16
(1) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission regelmäßig – erstmals fünf Jahre nach der zum ersten Mal vorgenommenen Bezeichnung gemäß Artikel 4 Absatz 1 – einen umfassenden Bericht über die bezeichneten Gewässer sowie über ihre wichtigsten Merkmale.
(2) Die Kommission veröffentlicht die eingegangenen Informationen nach Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaates.
Artikel 17
(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.
Artikel 18
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel, am 18. Juli 1978.
Im Namen des Rates
Der Präsident
M. LAHNSTEIN
(1) ABI. Nr. C 30 vom 7. 2. 1977, S. 37.
(2) ABI. Nr. C 77 vom 30. 3. 1977, S. 2.
(3) ABI. Nr. C 112 vom 20.12.1973, S. 3.
(4) ABI. Nr. C 139 vom 13. 6.1977, S. 3.