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Das Wischhafener Schleusenfleth ist eines von vier
Marsch-Vorflutern in Niedersachsen, der als Referenz-Gewässer für
die EU-Richtlinie untersucht werden soll. Foto: Schmidt |
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Kein Gewässer in gutem Zustand Zeitplan für Europäische Rahmenrichtlinie gerät ins
Wanken
Kreis Stade (ccs).Es ist eines der ehrgeizigsten
Umweltschutz-Vorhaben Europas der kommenden Jahre: Flüsse, Bäche und Seen
sollen bis 2015 wieder so sauber und naturnah strukturiert sein, dass von
einem „guten ökologischen Zustand“ gesprochen werden kann. Doch eine erste
Bestandsaufnahme an der Niederelbe zeigt, dass dieses Ziel wohl kaum zu
erreichen ist.
Denn der Zeitplan, den die europäische
Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, siehe Aktuelles Stichwort) vorsieht, gerät
schon jetzt aus den Fugen. Bevor nämlich die Öko-Bewirtschaftungspläne für
die Gewässer unter Beteiligung der Wassernutzer erstellt werden können,
muss erst einmal überprüft werden, in welchem Zustand sich Fluss, Bach und
See befinden. Wo belasten Nitrat und Pflanzenschutzmittel die Lühe, wo
können Forellen noch ungehindert durch Staustufen zu ihrem Laichbach
aufsteigen, wo blühen noch Pfeilkraut und Schwanenblume? Beispiele für
Fragen, die vielerorts noch offen sind. Zuständige Behörde für die
Gewässerqualität ist der Niedersächsische Landesbetrieb für
Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), das in Stade eine
Betriebsstelle unterhält. Zwar werden hier schon seit Jahren
Untersuchungen zum Zustand von Gewässern gemacht, doch über die von der
WRRL geforderte Datenfülle verfügt auch das NLWKN noch nicht. Volker
Rebehn aus der Betriebsstelle Stade: „Besonders bei den biologischen Daten
gibt es noch große Defizite.“ Zwar erklärte Niedersachsen
Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) schon vor Monaten im Kabinett:
„Wir haben die Bestandsaufnahme in Niedersachsen fristgerecht
abgeschlossen.“ Doch dabei ging es nur um die Frage, ob und bei welchen
Gewässern die Anforderungen der Wasserrichtlinie überhaupt zu erfüllen
sind. Die Antwort spricht für sich: Am niedersächsischen Elbufer
zwischen Otterndorf und Harburg ist dies nur bei rund sechs Prozent der
Gewässer der Fall. In 16 Prozent der Fälle, so die Experten, sei es
unwahrscheinlich, dass der gute ökologische Zustand überhaupt erreicht
werden kann. Und bei 77 Prozent der Gewässer reichen die Daten bislang
nicht aus, um die Frage zu beantworten. Im Landkreis Stade ist übrigens
kein einziges Gewässer zu finden, das auf gesamter Länge das Prädikat
„guter ökologischer Zustand“ verdient. Mit dem Bach Steinbeck zwischen
Bliedersdorf und Harsefeld allerdings sind die Experten schon recht
zufrieden. Andere Bäche wie der Oberlauf des Osterbeck bei Hammah, so das
NLWKN, dürften die Kriterien der EU wohl nie mehr erreichen. Eine
besondere Herausforderung der EU-Wasserrichtlinie stellen diejenigen
Gewässer dar, die seit Menschengedenken genutzt oder sogar vom Menschen
geschaffen worden sind, wie die Flethe in der Elbmarsch. Hier fehlt es den
Fachleuten an so genannten „Referenzgewässern“. Friedrich Tönjes,
Kreisbaurat in Stade: „Die Frage ist, wie für solche Vorfluter das gute
ökologische Potential überhaupt definiert werden kann.“ Tönjes ist
Sprecher eines „Pilotprojekts Marschgewässer“ das jüngst vier
Gewässer-Unterhaltungsverbände zwischen Ostfriesland und Unterelbe bei
Umweltminister Sander beantragt haben. Für 395000 Euro sollen
Wissenschaftler in enger Zusammenarbeit mit den Gewässernutzern
beschreiben, wie auch künstliche Gewässer nach ökologischen Kriterien
weiter entwickelt werden können, wie es die EU-Richtlinie vorschreibt. Im
Landkreis Stade ist das Wischhafener Schleusenfleth als Projektgewässer
ausgewählt worden, für das der Unterhaltungsverband Kehdingen zuständig
ist. Tönjes: „Die Verbände hatten sich zuvor noch nicht ausreichend mit
der Problematik der Wasserrahmenrichtlinie beschäftigt.“ Die EU-Richtlinie
sei jedoch „sehr ernst zu nehmen“, so Tönjes, nicht zuletzt weil die Ziele
an Fristen gebunden sind. Der Kreisbaurat: „Bei Nichteinhalten drohen
Strafgelder.“ Web-Tipp:
http://www.wassernetz.org/
http://www.umwelt-niedersachsen.de/
Artikel
erschienen am: 18.05.2005 |